In den letzten Tagen gab es in Berlin zwei interessante Ausstellungseröffnungen, die sich beide mit dem Thema Wohnen beschäftigen. Die Wentrup Gallery zeigt die Ausstellung „Timm Ulrichs: Die Welt im Wohnzimmer“ und das Werkbundarchiv Museum der Dinge in einer Sonderschau „gern modern? Wohnkonzepte für Berlin nach 1945“.
DIE WELT IM WOHNZIMMER
In seiner Fotoserie „Die Welt im Wohnzimmer“ zeigt der 1940 geborene Konzeptkünstler Timm Ulrichs, wie das Fernsehgerät zum Hausaltar und zum Zentrum des Wohnens wird. Die Aufnahmen präsentieren Interieurs aus Wohnungen des slowenischen Städtchens Slovenj Gradec, wo Ulrichs 2009 im Rahmen einer Ausstellung um Zugang zu privaten Räumen gebeten hatte. Die daraus resultierenden Aufnahmen zeichnen ein Porträt der Wohnungsbesitzer und dokumentieren gleichzeitig eine häuslich-mediale Landschaft.
Als Präsentationsfläche für Familienfotos, Kitschobjekte und Devotionalien ersetzte der Fernseher das Klavier oder die Kommode, die im bildungsbürgerlichen Biedermeier-Zimmer die bis dahin bevorzugte Abstellfläche für solche Objekte waren. Ulrichs’ Fotografien setzen dieser angesichts des Flachbildschirms fast vergangenen Praxis ein Denkmal.
AUßER ATEM
Im Zentrum der Ausstellung in der Wentrup Gallery steht die Installation „Außer Atem“. Eine Serie von sieben identischen, grau gestrichenen Schaukelstuhl-Prototypen, die an nordamerikanische Shakerstühle erinnern, und alle eingebaute Axial-Ventilatoren in ihren Rückenlehnen haben. Das Gehäuse der Ventilatoren zeigt zur Sitzfläche und läßt damit die Luft rücklings aus den Stühlen strömen und damit den Schaukelstuhl scheinbar selbständig schaukeln und eine bewegte, geisterhafte Leere entstehen.
WERKBUNDARCHIV MUSEUM DER DINGE
Das Werkbundarchiv Museum der Dinge in Berlin Kreuzberg ist ein Lieblingsort für viele Sammler und Designinteressierte. Es zeigt die Entwicklung der Dinge im 20. Jahrhundert vom Designobjekt bis zum Kitsch in einer Schaudepotsituation. Puppenhäuser geben ein gutes Beispiel wie Wohnen früher ausgesehen haben mag.
Anhand von wichtigen Stühlen der Werkbundgeschichte wie beispielsweise von Richard Riemerschmid, Bruno Paul oder Marcel Breuer wird die Entwicklung des Stuhls dargelegt.
Die neu eröffnete Sonderaustellung „gern modern? Wohnkonzepte für Berlin nach 1945“ greift das Thema Wohnen auf und untersucht Ideen und Konzepte für ein reales und ideelles Sich-Einrichten, die von Akteuren des Deutschen Werkbunds in der kriegszerstörten Stadt entwickelt wurden. Zu sehen sind Architekturmodelle und Möbel, Plakate, Pläne und Zeichnungen, historische Fotos und Filme sowie Schulkisten und ein Baukasten aus der Berliner Wohnberatungsstelle.
DER DEUTSCHE WERKBUND
Nach dem verlorenen Krieg wollte der Werkbund mit moderner Gestaltung einen ästhetischen und gesellschaftlichen Neuanfang anstoßen. Die weiträumige Zerstörung historischer Stadtgebiete betrachtete der Werkbund als Chance, die in den 1920er Jahren entwickelten Ideen zum Neuen Bauen und zur Neuen Wohnung umzusetzen. Die Werkbund-Protagonistin Lilly Reich sprach von einem „günstigen Augenblick, einer kulturell hochstehenden Wohnform den Weg zu bereiten.“
Die Ausstellung „Die Welt im Wohnzimmer“ von Timm Ulrichs in der Wentrup Gallery ist bis zum 15 April 2017 und die Ausstellung im Werkbundarchiv Museum der Dinge „gern modern? Wohnkonzepte für Berlin nach 1945“ bis zum 26.6.2017 zu sehen.
Wünsche viel Vergnügen beim Betrachten und Ideen Sammeln für eure Einrichtung.
Eure Anna